Rauschen_01

Alle reden immer von der Bilderflut, in der wir zu ertrinken drohen. Was aber ist eine Flut anderes als die Bewegung des Meeres? Und was tut das Meer, wenn es sich bewegt? Es rauscht.
Von diesem Rauschen sind wir Menschen des 21. Jahrhunderts beständig umgeben und umspült.
Wenn schon der normale Mensch das mitunter als Bedrohung empfindet, um wieviel mehr muß es dem so gehen, der selber Bilder produziert, als Maler, Filmemacher, Graphiker, Photograph?
Oder muß der Bilderproduzent, müssen wir dieses allgegenwärtige Zuviel als Hintergrundrauschen einfach akzeptieren? Gegen Bilderfluten ist noch kein Rauschunterdrückungssystem erfunden worden. Man kann zwar den Fernseher abschalten, das Internet ignorieren, aufhören Zeitungen und Zeitschriften zu lesen, nicht mehr ins Kino und auch nicht in Ausstellungen gehen, aber man kann ja nicht geschlossenen Auges durch die Welt wandeln.
Also muß man sich eventuell doch mit diesem optischen Grundrauschen abfinden. Vielleicht ist man sogar schon weit gekommen, wenn man das beständige Bilderbombardement nicht mehr als Lärm wahrnimmt, sondern nur noch als Rauschen.
Kann man dann aus dem fortwährend fließenden Strom etwas herausfischen, was die Betrachtung lohnt?
Oder gar vorsichtig etwas Neues diesem Strom hinzufügen, aussetzen wie ein gefaltetes Papierschiffchen, in der Hoffnung, daß es nicht untergeht?
Natürlich kann man auch ein wolkenkratzerhohes Containerschiff konstruieren, an dem keiner mehr vorbeisehen kann, das bleibt im Strom höchstens stecken und versperrt die Sicht, damit erlangt man Aufmerksamkeit.
Wenn man aber auf die Nuancen Wert legt, die leisen Töne und die Zartheiten, dann muß man anders vorgehen.
Unter dieser Flagge der Behutsamkeit scheint mir Maike Brautmeier mit ihren Bildern der Rauschen-Serie unterwegs zu sein:
Nebenbeibeobachtungen, Unspektakuläres, Beiläufiges, Gefundenes, Nichtinszeniertes, Echtes, Leises, Verwaschenes, Hellgraues und Dunkelgraues, ohne Schreien und Stampfen, mit einem Lächeln und mit glänzenden Augen.
Sie erzählen fließend, flüchtig, wie der Bewußtseinsstrom, wie das Flimmern der Erinnerung, von der Melancholie angesichts des raschen Vorbeirauschens der vielen Bilder, der Ungreifbarkeit der Fülle und des Glücks.

Text: Dr. Stephan Trescher